
INCREASE dezentraler Erhaltungsansatz
Der gängigste Ansatz zur Erhaltung der genetischen Vielfalt von Kulturpflanzen, wie z. B. der Ackerbohne, ist die zentrale Lagerung in sogenannten Genbanken. In diesen Einrichtungen werden Tausende traditioneller oder lokaler Sorten als Saatgut in Kühlkammern gelagert, regelmäßig vermehrt und so für künftige Generationen gesichert.
Der Schlüssel zur Erhaltung traditioneller lokaler Sorten liegt in ihrem Anbau und ihrer Nutzung. Daher trägt INCREASE durch das innovative Konzept der dezentralen Erhaltung zu einer ergänzenden Form der Erhaltung bei: Bürger, Landwirte und Gärtner aus ganz Europa kultivieren wie Sie bohnenreiche Lokalsorten und tauschen sie untereinander aus. Diese neu gegründete und lebendige Erhaltungsgemeinschaft bringt unzählige, fast vergessene Bohnensorten zurück auf die Felder und in die Gärten, auf die Terrassen und Balkone und lässt sie in unsere Küchen einziehen!
- Warum die Erhaltung lokaler und traditioneller Sorten fuer die Menschheit wichtig ist
Die Wurzeln der Kulturpflanzenvielfalt
Haben Sie sich jemals gefragt, woher die enorme Vielfalt an Früchten, Gemüsen und Getreiden stammt, die wir heute genießen?
Seit Jahrtausenden haben Landwirtinnen und Landwirte auf der ganzen Welt Wildpflanzen kultiviert. Über Generationen hinweg wählten sie diejenigen aus, die am besten wuchsen, besser schmeckten oder leichter zu ernten waren. Dieser Prozess – die Domestikation – begann im Neolithikum, vor rund 10.000 Jahren, und veränderte für immer die Beziehung zwischen Mensch und Natur.
Die Domestikation von Pflanzen und Tieren fand vor etwa 10.000 bis 5.000 Jahren in mehreren Weltregionen statt: im Nahen Osten und im Mittelmeerraum, in Ost- und Westafrika, in Mesoamerika, in den Anden Südamerikas, in China und in Indien.
Durch die Domestikation wurden Wildpflanzen nach und nach an menschliche Bedürfnisse angepasst: Essbare Pflanzenteile wurden größer und farbenfroher, und eine bemerkenswerte Vielfalt an Nutzpflanzen entstand – jede mit einzigartigen Eigenschaften.
Wie schon Charles Darwin in Über die Entstehung der Arten bemerkte, zeigt diese Variation in Kulturpflanzen die Fähigkeit des Menschen, die Evolution zu lenken. Durch die Auswahl von Pflanzen mit gewünschten Merkmalen schufen Menschen Sorten, die in den unterschiedlichsten Umgebungen gedeihen können – von trockenen Wüsten bis zu kalten Gebirgen – und zugleich lokale Geschmäcker, Farben und Texturen widerspiegeln.
Die Gartenbohne als Beispiel für Domestikation
Die Gartenbohne (Phaseolus vulgaris) veranschaulicht eindrucksvoll, wie Domestikation zur Vielfalt führt. Ihr wilder Vorfahre entstand in Mittelamerika (dem heutigen Mexiko) und breitete sich vor etwa 200.000 Jahren nach Südamerika aus, wo sich zwei Wildgenpools bildeten: der mesoamerikanische und der andine. Beide wurden unabhängig voneinander von Menschen domestiziert (in Kultur genommen) – zuerst in Mesoamerika (vor etwa 9.000–8.000 Jahren). Die andinen Bohnen entwickelten größere Samen, während sich die mesoamerikanischen an unterschiedliche Böden und Klimazonen anpassten.
Diese frühen domestizierten Bohnen waren empfindlich gegenüber der Tageslänge, welche die Blütezeit steuert. Als die Bauern begannen, sie in wärmeren, tiefer gelegenen Regionen anzubauen, wählten sie Pflanzen aus, die früher blühten und unter anderen Lichtverhältnissen gedeihen konnten. So entstanden verschiedene „Rassen“: Jalisco, Durango und Mesoamerica in Mexiko sowie Peru und Chile in Südamerika.
Nach Europa gelangte die Bohne durch Samen, die die Spanier nach der Eroberung Perus mitbrachten. Karl V, König von Spanien und später Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, übergab sie Papst Clemens VII., der ihre Verbreitung förderte – unterstützt von Piero Valeriano Bolsanio aus Belluno, dem Sekretär des Papstes aus der Medici-Familie. Später wurde auch mesoamerikanisches Material eingeführt, was die Vielfalt in Europa weiter vergrößerte.
Im Laufe von Jahrtausenden schufen Landwirte zahlreiche lokale Sorten, sogenannte Landsorten, die jeweils an ihre spezifischen Böden, Klimabedingungen und die symbiotischen Rhizobien-Bakterien angepasst waren, welche Stickstoff im Boden binden. Die Menschen wählten Bohnen nach Geschmack, Kochqualität, Schädlingsresistenz und sogar nach essbaren Hülsen aus – frische grüne Bohnen –, die in mehreren Regionen unabhängig voneinander entwickelt wurden. Dies zeigt die Kreativität der Menschheit, Nahrung vielseitiger und genussvoller zu gestalten.
Was sind Pflanzengenetische Ressourcen?
All diese Sorten zusammen bilden das, was Wissenschaftler als Pflanzengenetische Ressourcen (PGR – Plant Genetic Resources) bezeichnen – eine lebende Bibliothek genetischer Informationen aller Kulturpflanzen. Dazu gehören:
- Wilde Verwandte kultivierter Arten
- Domestizierte Formen, wie etwa
- Landsorten/Landrassen – traditionelle, lokal angepasste Varietäten
- Moderne Sorten – hauptsächlich in den letzten zwei Jahrhunderten gezüchtet
Landsorten entstanden im Verlauf vieler Jahrhunderte durch sorgfältige Auswahl durch Landwirte/Bauern. Sie sind optimal an lokale Umweltbedingungen angepasst, da sie menschliche Bedürfnisse, Bodenbeschaffenheit und Klima miteinander in Einklang bringen. Sie gedeihen unter Bedingungen mit geringem Einsatz von Dünger oder Pflanzenschutzmittel und besitzen eine hohe Vielfalt innerhalb einer Landrasse– viele verschiedene Genotypen existieren nebeneinander auf dem Feld und passen sich gemeinsam an. Diese genetische Diversität verleiht ihnen eine natürliche Widerstandsfähigkeit gegenüber Schädlingen, Trockenheit und nährstoffarmen Böden.
Im Gegensatz dazu sind moderne Sorten einheitlich und auf maximales Ertragspotenzial gezüchtet, hängen jedoch stark von chemischem Input und Bewässerung ab.
Warum ist es so wichtig, lokale Sorten zu erhalten?
Auch wenn moderne Sorten eine wichtige Rolle spielen, bilden traditionelle und wilde Formen die Grundlage der weltweiten Ernährungssicherheit. Sie enthalten das genetische Rohmaterial, das Züchter ebenso wie Landwirte nutzen, um die Sorten von morgen zu entwickeln – mit Eigenschaften, die für die Anpassung an unterschiedliche Umweltbedingungen wichtig sind.
Darüber hinaus fördern sie positive Wechselwirkungen zwischen Pflanzen – sowohl innerhalb einer Art als auch zwischen verschiedenen Arten – und tragen so zu gegenseitigen, stabilisierenden Beziehungen in vielfältigen Beständen bei, wie sie insbesondere im ökologischen Landbau oder beim Mischanbau genutzt werden. Traditionelle Sorten weisen zudem eine große genetische Vielfalt in Merkmalen wie Nährstoffgehalt und Anpassungsfähigkeit an extreme Bedingungen auf. Diese Vielfalt ist entscheidend für die Verbesserung der Ernährungsqualität und für die Bewältigung des Klimawandels.
Wenn diese Sorten verloren gehen, sind sie für immer verloren – denn genetische Ressourcen lassen sich nicht ersetzen.
Damit verschwinden auch:
- Eigenschaften, die Pflanzen resistent gegen Trockenheit, Überschwemmungen, Schädlinge oder Krankheiten machen,
- Möglichkeiten, Pflanzen in schwierigen oder sich verändernden Umgebungen anzubauen,
- sowie kulturelles Erbe, Geschmack und traditionelle Küchen.
Diese Vielfalt ist die biologische „Versicherung“ der Menschheit für die Zukunft. Sobald eine lokale Sorte oder ein wilder Verwandter verschwindet, ist er unwiederbringlich verloren. Deshalb bewahren Genbanken weltweit Samen und lebende Pflanzen auf, um diese Vielfalt für kommende Generationen zu sichern.
Ebenso wichtig ist jedoch die dezentrale Erhaltung, damit diese Vielfalt allen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich bleibt und so aktiv weiterbestehen kann. Als INCREASE Citizen Scientist ist Ihre Teilnahme von unschätzbarem Wert: Indem Sie Bohnen verschiedener Sorten anbauen, beobachten und Daten teilen – selbst wenn die Pflanzen nicht perfekt sind –, tragen Sie dazu bei, ihre einzigartigen Merkmale zu bewahren und diese unschätzbare genetische Vielfalt zu erhalten.
Jede Pflanze, die Sie anbauen und mit anderen Saatgut teilen, hilft, das biologische und kulturelle Erbe der Menschheit zu schützen.



